Wenn alles zusammenbricht und nicht mehr funktioniert, wenn wir Widerstände in uns, durch Umstände und andere erfahren, wenn eine Sache und Situation frustriert, erschöpft und ermüdet, zu Vorwurf, Konflikt und innerer Enge führt, spätestens dann ist es an der Zeit, mit Habenwollen, Überzeugen, Wünschen und Machen aufzuhören, und die Möglichkeit einer guten und für alle Beteiligten stimmigen Lösung in die Hände des Universums zu legen. Das bedeutet nicht etwa, dass wir aufgeben, sitzen und passiv abwarten, dass ein Wunder geschehen möge, sondern dass wir darauf vertrauen, dass sich Wege und Möglichkeiten finden, die wir noch nicht kennen und von denen wir noch nicht wissen.
Vertrauen ist eine aktive Qualität
Vertrauen beinhaltet Geduld, Zuversicht, Mut und Verletzlichkeit. „Du kannst nicht Mut erlangen, wenn du nicht durch Verletzlichkeit gegangen bist“, sagt Brené Brown, die US-amerikanische Wissenschaftlerin und Autorin, die Themen wie Scham, Verletzlichkeit und Empathie erforscht. Vertrauen zu haben, bedeutet, dass wir uns etwas Größerem anvertrauen und zugleich genau beobachten und lauschen müssen und – wie ich finde – dürfen. Darin liegt nämlich der Schatz, den es zu heben gilt. Das Goldkorn mitten im Schlamm, das wir nur finden, wenn wir bereit sind, verletzlich zu sein.
Wahrnehmen ist das oberste Gebot – wer Augen hat zu sehen und Ohren zu hören…
Jede Situation, die wir uns erschaffen, trägt eine Botschaft unserer Seele in sich. Um sie zu begreifen und uns ihrer bewusst zu werden, müssen wir genau beobachten. Unsere Gefühle und Körperempfindungen, unser Wollen und die Wurzel unseres vermeintlichen Rechthabens, das Geschehen, die Umstände und das Verhalten aller Beteiligten. Was will gesehen werden? Was spiegelt mir der Widerstand – meiner und der der anderen? Wo bin ich starr und halte an etwas fest, was nicht (mehr) dient? Wofür darf und muss ich mir und anderen vergeben? Welcher Schatten will integriert und welche Wunde geheilt werden? Was geschieht eigentlich und unter der Oberfläche der sogenannten objektiven, beschreibbaren und vielleicht hinlänglich diskutierten Tatsachen? Was ist die innere Wahrheit? Meine und die der anderen und an dem Geschehen Beteiligten? Was projiziere ich auf andere? Wo habe ich Annahmen über sie und gehe davon aus, dass ich Recht darin habe? Was sagen sie mir über mich? Welche Rolle spiele ich in dem Geschehen? Wann habe ich mich auch schon so verhalten – ob in diesem oder anderen Leben -, wie ich es jetzt anderen vorwerfe? An welche inneren Wunden rührt diese Situation und wie kann ich die Verletztheit, Ängste und Unsicherheiten in mir heilen? Wie kann ich wieder in dem Mutterboden gedeihen, der meiner höchsten Wahrheit entspricht? Wie kann ich in ihm wieder wurzeln, wo ich ihn in dieser Situation doch scheinbar verloren habe?
Verletzlichkeit erfordert schonungslose Ehrlichkeit
Ups, und mit einem Mal ist der Konflikt, die Krise und das Nadelöhr eine sehr persönliche Angelegenheit. Nichts daran entspringt dem Zufall oder trifft uns unerwartet und aus heiterem Himmel. Ein solches Geschehen kündigt sich an. Manchmal langsamer und unbemerkt, manchmal schneller. Der Energiefluss, der einstmals frei und freudig floss, ist enger und trüber geworden, hat immer weniger Freude bereitet, hat dazu geführt, dass wir uns nicht mehr verbunden gefühlt haben und innerlich vielleicht schon längst zurückgezogen haben, und landete schließlich in dem engen Kanalrohr, in dem wir uns jetzt befinden. In einem Schlamassel und Chaos, in dem wir keine Orientierung mehr haben, keine Kraft und Klarheit. Und vor allem keine Energie mehr.
Endlich!
Genau dorthin hat unsere Seele uns nämlich bewusst manövriert. Damit wir endlich verstehen: Wir haben uns entgegen den freien Fluss des Lebens bewegt. Etwas hatte seine Zeit und geht jetzt auf eine Auflösung zu, die neue Entwicklungen und vielleicht sogar einen Neubeginn ermöglicht. Wie der aussieht, das wissen wir in dem Augenblick meist nicht. Das ist auch gut so. Denn unsere Aufmerksamkeit und Achtsamkeit brauchen wir für das Hier und Jetzt und alles, was gefühlt, gesehen, erkannt, anerkannt und geheilt werden will. Genau dafür brauchen wir das Vertrauen, die Geduld und die Bereitschaft, die Botschaft zu verstehen, die wir mit dem Ganzen erhalten. Damit unsere Seele dasselbe nicht ein weiteres Mal re-inszenieren muss. Damit wir lernen und uns des Unbewussten bewusstwerden und heilen. Damit wir ein Stückchen mehr die erinnern und sein können, die wir in Wahrheit sind. Das ist der aktive Part, den wir übernehmen müssen, wenn das Wunder eintreten soll, von dem das Universum, das Leben und unsere Seele bereits wissen.
Alles fließt wieder: Ordnung geschieht
Schon wenn wir uns dafür entscheiden, uns dem großen Ganzen anzuvertrauen, wenn wir mit dem Tun aufhören und uns hinsetzen und hinfühlen, entspannt sich etwas, wird still und weitet sich ein wenig, und fühlt sich besser an. Ruhe kehrt ein, ein Gefühl von Einverstandensein und Annahme dessen, was ist. Ein inneres Ja, das uns Friede schenkt. Statt Kampf, Gedankenkarussell, Überzeugungskünsten und Hektik dehnen sich neue Energie und ein Gefühl von ‚alles ist und wird gut‘ in uns aus. Das Universum hat wieder die Führung übernommen und wir können uns dem vollständig hingeben. Eine neue Ordnung ist am Entstehen. Alles kann gelassen, in seiner Zeit und auf seine Weise an seinen rechten Platz kommen, kann die rechte Stellung und Bedeutsamkeit wieder einnehmen, die ihm wahrlich gebührt. Wir fühlen uns frei, erleichtert und bringen damit eine belastende und anstrengende Erfahrung für uns und andere in die Erlösung und Vollendung.
Ein Kreis vollendet sich
Ein Zyklus ist zu einem guten Ende für uns und alle Beteiligten gekommen. Der Abschied von Festhalten und Habenwollen, von Vorwurf und Gegnerschaft hat uns die Gelegenheit geschenkt, in unserer Wahrheit vertieft zu werden, uns uralter Wunden bewusstgeworden zu sein und sie geheilt zu haben. Wir und alle Beteiligten gehen nach dem Nadelöhr aufrechter und verbundener mit uns selbst und miteinander in einen neuen Zyklus, der uns neue Herausforderungen und Wunder schenken wird. Auf diese Weise bewegen wir uns spiralförmig immer mehr in unsere Wahrheit hinein. Unsere Seele atmet auf: Wir nutzen die Gelegenheiten, die sich uns bieten, unsere Medizin zu vertiefen. Eine gute Möglichkeit übrigens auch, jetzt in der Zeit vor den Raunächten auf den zurückliegenden Jahreskreis zu blicken, und dadurch frei zu werden für das, was kommen mag. Die Raunächte warten auf uns und dass wir uns bereitmachen und bereit sind für das was war, ist und sein wird.
Katharina Sebert