Geliebte Trauer, für eine lange Zeit habe ich dein Klopfen an meine Türen überhört. Lange schon begehrtest du Einlass und riefest mich sanft. Hören wollte ich dich nicht. Geduldig hast du dein Lager aufgeschlagen. Ein Feuerchen brannte an deiner Seite, um dich während des Wartens zu wärmen. Du wusstest, dass es wichtig war zu bleiben.
Lange Zeit ignorierte ich deinen Ruf und wollte dich nicht bei mir haben. Das ging ganz gut denn ich suchte mir andere Dinge, um mich nicht mit dir zu beschäftigen. Doch als meine Seele begann über meinen Körper zu mir zu sprechen, erinnerte ich dich und vernahm dein Rufen. Die Tür schwang langsam auf und schüchtern sah ich dich an. Liebevoll erwidertest du meinen Blick, nahmst sanft meine Hände in deine und sagtest: „Es ist gut. Nun bin ich da. Alles hat seine Zeit.“ Du zogst mich zu dir hinunter und wir setzen uns dicht ans Feuer. Die Wärme durchströmte und wärmte mich von außen nach innen.
Still saßen wir zusammen. Nach einer Weile kuschelte ich mich bei dir ein und mein Körper begann zu beben, ohne dass ich spürte, dass ich weinte. Als Tränen von meinem Kinn fielen, begann sich die Starre in mir zu lösen und die Verhärtungen weichten auf. Eine geraume Zeit lang lag ich in deinem Arm, fiel tief in mich hinein und erinnerte mich an all das was geschehen war.
All das was ich fein säuberlich in kleine Kästchen gesperrt hatte, nahm sich nun Raum. Mein Herz schmerzte und meine Seele weinte bitterlich. Du hieltest mich still und sanft. Strichest mir über die Stirn und rauntest leise „Ich bin da um dich zu halten. Ich bin die Trauer. Gib mir Raum und lasse es geschehen. Es ist gut. Es heilt den Schmerz von innen heraus. Ich bleibe solange bis es braucht.“
Deine Worte erfassten mich und ein tiefes Schluchzen drang aus meiner Kehle. Es schüttelte mich durch, bis keine Tränen mehr flossen. Ich sah dich an und sagte leise zu dir: „Es tut so weh. Ich fühle mich allein, verlassen und ich bin so müde.“ Du wiegtest mich sanft und sagtest nichts. So schlief ich ein an deiner Brust.
Nach einiger Zeit erwachte ich. In mir spürte ich ein neues, noch sehr feines Gefühl. Vorsichtig setzte ich mich auf. Das Feuer war erloschen und neben dir saß eine weitere Gestalt, die mich wohlwollend anlächelte. Sie kam nun langsam auf mich zu, nahm meine Hände in ihre, blickte mir lange in die Augen und sagte: „Ich bin die Hoffnung. Trauer und ich sind gute Freunde. Ich war schon immer da. Du wolltest mich nur nicht sehen.“ Ich erkannte die Wahrheit ihrer Worte und erwiderte ihr Lächeln. Als ich sie länger ansah, spürte ich, dass mein Herz einen kleinen Sprung machte. Es öffnete sich eine Tür in meinem Inneren. Hindurch wehte eine Brise des Vertrauens und der Liebe, die es einhüllten und von innen heraus nährten und stärkten. Ich spürte ein Gefühl von Geborgenheit und Zuversicht.
Trauer stand neben uns und sagte mir sanfter Stimme: „Es ist gut. Du hast uns gehört. Du kannst nun wieder alles fühlen. Das ist unser Geschenk an dich. Das Fühlen stärkt deine Seele und macht dich berührbar. Die Wunde wird heilen und du wirst Dankbarkeit spüren. Alles hat seine Zeit“.
Ich erkannte, wie heilsam es ist der Trauer die Tür zu öffnen und sie willkommen zu heißen. Und mir wurde wieder bewusst, dass ich niemals alleine bin. Selbst in mir nicht. Meine Gefühls-Gefährten sind stets bei mir und nur gemeinsam sind wir ein Ganzes.
So reiche ich dir meine Hand und erinnere dich daran, dass es gut ist, wenn du ab und an lauscht, wer an deine Türe klopft. Sei offen für das was in dir ist. Es ist immer FÜR dich.